Eine massive Gefährdung der Arbeitsgrundlage Sozialer Arbeit

16 Apr von admin

Eine massive Gefährdung der Arbeitsgrundlage Sozialer Arbeit

Das BfZ dokumentiert an dieser Stelle eine Presserklärung von Wissenschaftler*innen zu den Strafbefehlen gegen Mitarbeiter*innen des sozialpädagogischen Fanprojekts Karlsruhe

Die Strafbefehle, die kürzlich durch das Amtsgericht Karlsruhe gegen Mitarbeiter*innen des Fanprojekts Karlsruhe erlassen wurden, stellen eine gravierende Gefährdung der Arbeitsgrundlage Sozialer Arbeit dar. Sie sind deshalb über den konkreten Fall hinaus von bundesweiter Bedeutung. Aus wissenschaftlicher Sicht sind sie abzulehnen, auch weil dadurch Möglichkeiten sozialpädagogischer Prävention und Intervention grundsätzlich infrage gestellt werden. Wir fordern die Staatsanwaltschaften und die Gerichte auf, im weiteren Verlauf des Verfahrens die fachwissenschaftlichen Argumente zur Kenntnis zu nehmen und zu würdigen.

Soziale Arbeit ist in unterschiedlichen Arbeitsfeldern damit beauftragt, riskante, fremd- und selbstschädigende Verhaltensweisen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu verhindern. Dies gilt für die Arbeit mit Fußballfans in Fanprojekten ebenso wie unter anderem auch für die mobile Jugendarbeit, für die offene Jugendarbeit sowie für die sozialpädagogische Arbeit mit Wohnungslosen und Drogenabhängigen und schließlich für die Opferberatung oder für Aussteigerprogramme.

Die unverzichtbare Grundlage dieser Arbeit sind vertrauensbasierte Beziehungen zwischen Sozialarbeitenden und ihren Klient*innen. Denn Soziale Arbeit erfordert einen Rahmen, der offene Kommunikation ermöglicht, in der auch Problematisches angesprochen werden kann, ohne Sanktionen befürchten zu müssen. Nur so ist eine fachliche Begleitung und Beratung möglich, in der problematische Verhaltensweisen mit Aufsicht auf Erfolg hinterfragt und Alternativen dazu entwickelt werden können.

Deshalb gilt für die Soziale Arbeit das fachliche Erfordernis eines besonderen Schutzes des Vertrauensverhältnisses. Obwohl dieses bislang nicht durch ein Zeugnisverweigerungsrecht abgesichert ist, wird in der Praxis von den Strafverfolgungsbehörden gewöhnlich anerkannt, dass es sich um ein faktisches Erfordernis handelt. Deshalb wird in der Regel auch darauf verzichtet, Sozialarbeitende im Rahmen der Strafverfolgung als Informationsquelle zu beanspruchen, sofern es nicht um den faktisch seltenen Fall geht, dass Sozialarbeiter*innen im Vorfeld von der Planung gravierender Straftaten erfahren und diese nur durch Informationsweitergabe verhindern können. Für die strafrechtliche Sanktionierung von Bagatelldelikten ist die Soziale Arbeit dagegen ebenso wenig zuständig, wie die Mitwirkung bei der nachträglichen Aufklärung von Straftaten Bestandteil ihres Mandats ist. Klare Abgrenzungen von Sozialer Arbeit und Strafverfolgung sind nach beiden Seiten hin unverzichtbar.

Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden erkennen gewöhnlich an, dass sozialarbeiterische und sozialpädagogische Angebote einen wichtigen Beitrag zur Bearbeitung sozialer Konflikte und auch zur Vermeidung von Straftaten leisten können. Sie haben deshalb sinnvollerweise kein Interesse daran, die Grundlagen sozialarbeiterischer Intervention und Prävention zu destruieren.

Der nunmehr durch das Amtsgericht Karlsruhe der erlassene Strafbefehl stellt – auch aufgrund seiner Höhe von 120 Tagessätzen – ein deutliches Signal dafür dar, dass all dies infrage gestellt werden soll. Eine entsprechende Verurteilung der Sozialarbeiter:innen des Fanprojekts würde dazu führen, dass ein Vertrauensverhältnis, das die unverzichtbare Arbeitsgrundlage der Sozialen Arbeit in Fanprojekten und anderen Arbeitsfeldern ist, durch die Soziale Arbeit nicht mehr garantiert werden kann. Denn Sozialarbeiter*innen müssten mit gravierenden rechtlichen Zwangsmaßnahmen rechnen, durch die Aussagen erzwungen werden sollen. Eine solche Infragestellung der Arbeitsgrundlage Sozialer Arbeit ist aus fachwissenschaftlicher Sicht entschieden abzulehnen.

Erstunterzeichner*innen
Prof. Dr. Albert Scherr, Freiburg
Prof. Dr. Holger Ziegler, Bielefeld
Prof. Dr. Roland Roth, Berlin
Prof. Dr. Martina Richter, Duisburg
Prof. Dr. Franz Hamburger, Mainz
Prof. Dr. Verena Klomann, Darmstadt
Prof. Dr. Benedikt Sturzenhecker, Hamburg
Dr. Fabian Fritz, Siegen
Prof. Dr. Bernd Dollinger, Siegen
Prof. Dr. Werner Thole, Dortmund

Die Pressemitteilung können Sie auch hier herunterladen.

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