Wahlprüfsteine des BfZ zur #btw21

21 Sep von g.g.

Wahlprüfsteine des BfZ zur #btw21

Nachdem hier bereits die Antworten und Positionen der demokratischen Parteien im Bundestag zum Thema Zeugnisverweigerungsrecht auf Anfrage von Mitgliedsorganisationen des Bündnisses für ein Zeugnisverweigerungsrecht (BfZ) in der Sozialen Arbeit veröffentlicht wurden, soll an dieser Stelle der Blick auf die spezifischen Fragen des BfZ selbst gelenkt werden. Als wie wichtig erachten die einzelnen Parteien den Vertrauensschutz in der Sozialen Arbeit und wie positionieren sie sich zur Frage der Ausweitung der Berufsgruppen, denen nach §53 StPO ein Zeugnisverweigerungsrecht zugestanden wird? Wir dokumentieren die entsprechenden Antworten hier als Orientierungshilfe für Ihre Wahlentscheidung.

Folgende Fragen wurden vom BfZ im Vorfeld der Bundestagswahl gestellt:

Frage 1: Für Soziale Arbeit ist eine Vertrauensbeziehung zu den Adressat*innen unerlässlich. Welche Position vertreten Sie zur Notwendigkeit und zur Sicherung des Vertrauensschutzes in der Sozialen Arbeit?

Frage 2: Soziale Arbeit gehört zu den reglementierten Berufen. Als reglementierter Beruf könnte die Soziale Arbeit in die Regelungen des Zeugnisverweigerungsrechtes aufgenommen werden. Können Sie sich für die Einführung eines Zeugnisverweigerungsrechtes einsetzten?

Frage 3: Welchen Standpunkt vertreten Sie zur Unabhängigkeit der Sozialen Arbeit, wenn dieser kein Zeugnisverweigerungsrecht (ZVR) zugesprochen wird, gleichzeitig andere Berufe von einer Unterordnung unter staatliche Strafverfolgungsinteressen ausgenommen sind, da sie mit einem ZVR ausgestattet wurden?

Frage 4: Wie könnte entsprechend des hohen gesellschaftlichen Stellenwerts und des anspruchsvollen Aufgabenspektrums eine Einbindung der Sozialen Arbeit in den Anwendungsbereich des § 53 StPO erfolgen?

Frage 5: Würden Sie die Aufnahme der Sozialarbeiter*innen in den Kreis der Berufsgruppen, denen ein Zeugnisverweigerungsrecht nach §53 StPO zusteht, befürworten?

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Frage 1: Wir GRÜNE sehen ebenfalls eine Vertrauensbeziehung zu Adressat*innen als unerlässlich für Soziale Arbeit.
Frage 2: Wir sehen ebenfalls eine Vertrauensbeziehung zu Adressat*innen als unerlässlich für Soziale Arbeit. Wir GRÜNE wollen deshalb die Ergänzung der Strafprozessordnung um ein Zeugnisverweigerungsrecht für Mitarbeitende in Fachberatungsstellen. Dazu sind wir auch im Bundestag aktiv geworden, zuletzt in unseren – von der Regierungskoalition abgelehnten – Änderungsanträgen bei Gelegenheit des Gesetzes zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder und des Gesetzes zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung.
Frage 3: Wir GRÜNE treten für Gleichbehandlung vergleichbarer Funktionen ein.
Frage 4: Durch entsprechende Änderung des § 53 StPO, etwa in Anlehnung an dessen Absatz 1 Ziffern 3a und 3b.
Frage 5: Ja.

DIE LINKE:
Frage 1: Für DIE LINKE ist eine Vertrauensbeziehung zu den Adressat*innen absolute Voraussetzung für die soziale Arbeit. Die Arbeit mit z.B. sozial auffälligen Jugendlichen basiert, wie z. B. Thomas Mücke, einer der bekanntesten Sozialarbeiter Deutschlands, betont, maßgeblich auf zwei Dingen: Ehrlichkeit und Vertrauen (vgl. www.deutschlandfunk.de/debatteum-die-schweigepflicht-sozialarbeiter-unter-druck.862.de.html?dram:article_id= 363478). Vertrauen kann aber nur entstehen, wenn die Jugendlichen nicht befürchten müssen, dass die Sozialarbeiter*innen später einmal gegen sie aussagen müssen. Dies betrifft ebenso die Beratung von Gewaltopfern, wie zum Beispiel Opfer von Menschenhandel, die häufig minderjährig sind, oder Mitarbeiterinnen in Frauenberatungsstellen und Frauenhäusern. Eine gute Zusammenarbeit kann auch dort nur gelingen, wenn die Opfer nicht befürchten müssen, selbst noch Opfer ihrer Aussage zu werden. Die derzeitige gesetzliche Regelung ist nicht geeignet, das Vertrauensverhältnis zwischen den Sozialarbeiter*innen und denen, die deren Hilfe und Sachkunde in Anspruch nehmen, zu befördern, ganz im Gegenteil werden die Sozialaufgaben, die die Sozialarbeiter*innen übernehmen, durch die derzeitige Gesetzeslage torpediert. Deswegen fordert DIE LINKE insbesondere nach der Reformierung der Sozialgesetzgebung – und damit einhergehend des Sozialdatenschutzes – sowie der in den vergangenen Jahrzehnten weiter professionalisierten Fachlichkeit sozialer Arbeit eine Ausweitung des § 53 StPO auf jenes Berufsfeld.
Frage 2: Ja. DIE LINKE hat sich bereits in der Vergangenheit für die Einführung eines Zeugnisverweigerungsrechtes für Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter eingesetzt (vgl. Kleine Anfrage vom 18.09.2018, „Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter“, BT-Drs. 19/4371) und wird sich auch in Zukunft hierfür einsetzen.
Frage 3: Die Unabhängigkeit der Sozialen Arbeit ist, soweit ihr kein Zeugnisverweigerungsrecht (ZVR) zugesprochen ist, nicht gewährleistet. Gründe für eine Ungleichbehandlung zu anderen Berufen wie dem Anwaltsberuf, Arztberuf etc. sind nicht ersichtlich und entsprechende Begründungen der Bundesregierung (leistungsfähige Strafjustiz als Gewährleistungsbereich des Rechtsstaatsprinzips nach Artikel 20 Absatz 3) sind nicht überzeugend. Die Berufsbezeichnung „Sozialarbeiter*in) ist jedoch gesetzlich nicht geschützt. Um das ZVR nicht völlig ausufern zulassen, wäre zu überlegen, ob der Beruf einer Sozialarbeiterin oder eines Sozialarbeiters dadurch aufgewertet werden kann, dass hierfür eine gesetzlich vorgeschriebene Ausbildung erforderlich ist, die dann den Titel einer geschützten Berufsbezeichnung im Bereich der Sozialarbeit verleiht, oder ob alternativ neben der Schwangerschaftskonfliktberatung und Beratung zu Betäubungsmittelabhängigkeiten weitere Beratungsbereiche enumerativ in den Anwendungsbereich des § 53 StPO aufgenommen werden können.
Frage 4: Im Absatz 1, Nr. 3a und 3b des § 53 StPO sind bereits ausgesuchte Personenkreise aus der Sozialen Arbeit bzw. verwandter Bereiche in den Anwendungsbereich einbezogen worden. Wie eine präzise Formulierung für die Einbeziehung der Sozialen Arbeit in den Anwendungsbereich auszusehen hätte, müsste in den parlamentarischen Beratungen unter Einbeziehung wissenschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Sachverstandes erarbeitet werden.
Frage 5: Ja.

CDU/CSU:
Die Fragen 1, 2 und 3 werden zusammen beantwortet:
CDU und CSU unterstützen die Sicherung des Vertrauensschutzes in der Sozialen Arbeit. Die derzeitige Rechtslage, insbesondere das deutsche und europäische Datenschutzrecht, sichert bereits jetzt den Vertrauensschutz in der Sozialen Arbeit in weltweit praktisch einmaligem Umfang.
Das Thema „Einführung eines Zeugnisverweigerungsrechts für Mitarbeitende in Opferhilfeeinrichtungen“ (anerkannte Beratungsstellen für Opfer von Gewalt) wurde mit dem Koalitionspartner und dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) erörtert. Das BMJV hat insoweit darauf hingewiesen, dass nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts die Wahrheitsermittlung nur wenige Hürden haben sollte; der Kreis nach § 53 StPO müsse demnach klein bleiben. Vor einer weiteren Entscheidung sollten zunächst in den Ländern Fallzahlen erhoben werden. Das BMJV hat hierzu eine Länderumfrage eingeleitet.
Die Fragen 4 und 5 werden zusammen beantwortet:
Nach Auffassung von CDU und CSU sollte der Kreis der nach § 53 StPO Berechtigten eng bleiben, sodass eine Ausweitung der Berufsgruppen des § 53 StPO derzeit nicht geplant ist.

FDP:
Die Fragen 1 bis 5 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet:
Wir Freie Demokraten wollen, dass Menschen, die sich in einer schwierigen Situation oder in einer Notlage befinden, ein flächendeckendes und objektives Beratungsnetzwerk zur Verfügung steht. Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter leisten hierbei eine herausragende Arbeit für die Gesellschaft. Für die effektive Arbeit von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern ist es unerlässlich, dass die Adressaten darauf vertrauen können, dass ihre Angaben auch mit der nötigen Sorgfalt und Vertraulichkeit behandelt werden. Das für im Bereich der sozialen Arbeit bereits bestehende Zeugnisverweigerungsrecht für Mitglieder oder Beauftragte einer anerkannten Schwangerschaftsberatungsstelle oder einer Suchtberatung halten wir für absolut notwendig.
Hinsichtlich einer Aufnahme aller Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in den Anwendungsbereich des § 53 StPO ist zunächst festzustellen, dass es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem Gesetzgeber nicht freigestellt ist, den Kreis der aus Berufsgründen zeugnisverweigerungsberechtigten Personen nach Belieben zu erweitern. Zwar steht ihm ein gewisser Handlungsspielraum zu. Dieser ist jedoch auf das unbedingt erforderliche Maß zu begrenzen, um eine möglichst uneingeschränkte Wahrheitsermittlung im Strafprozess nicht zu gefährden. Ein Zeugnisverweigerungsrecht ist dabei nicht nur geeignet, die Wahrheitsfindung zu erschweren, sondern kann auch die Verwertung einer Aussage zu Gunsten eines von Strafe bedrohten Bürgers unmöglich machen. Insofern darf bei einer Erweiterung des Anwendungsbereichs von § 53 StPO nicht außer Acht gelassen werden, dass hierdurch der Anspruch eines Beschuldigten auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren beeinträchtigt werden kann. Eine pauschale Einbeziehung aller Sozialarbeiterinnen und –Arbeiter in den Geltungsbereich des § 53 StPO dürfte auch bereits aufgrund des im Vergleich mit anderen privilegierten Berufsgruppen breit gefächerten Berufsbildes die
vom Bundesverfassungsgericht gezogenen Grenzen überschreiten. Wir Freie Demokraten halten es daher für sinnvoll, ergebnisoffen zu prüfen, ob die Vertraulichkeitsbeziehungen von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter zu ihren Adressaten in allen Bereichen der sozialen Arbeit hinreichend geschützt sind und, falls nein, inwiefern ein auf weitere bestimmte Tätigkeitsbereiche von Sozialarbeiterinnen und -Arbeitern begrenztes Zeugnisverweigerungsrecht eine sinnvolle Ergänzung des § 53 StPO darstellen könnte. Lassen Sie uns dazu auch nach der Bundestagswahl im Gespräch bleiben.

SPD:
Wir konzentrieren uns vor allem auf die Beantwortung der Wahlprüfsteine bundesweiter Verbände und Institutionen. Die Beantwortung von Wahlprüfsteinen einzelner Podcast-Formate / Online-Formate / Interessengruppen etc.  können wir leider nicht leisten. Wir bitten Sie um Ihr Verständnis. Bitte schauen Sie sich unser Zukunftsprogramm für Deutschland an,  es zeigt, wofür wir stehen, was  uns antreibt, wonach wir streben und beantwortet vielleicht auch Ihre Fragen an die SPD.
(Anmerkung der Redaktion: Die Position der SPD kann hier nachgelesen werden.)

Vong.g.