Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl
Verschiedene Organisationen haben die Möglichkeit genutzt, Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl am 26. September 2021 einzureichen. Auch das Bündnis für ein Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialen Arbeit hat sehr spezifische Fragen zum Zeugnisverweigerungsrecht eingereicht, um die Positionen der Parteien zu klären. Diese Antworten werden in einem gesonderten Beitrag veröffentlicht.
Darüber hinaus haben mit dem Bundesverband der Berufsbetreuer*innen und der BAG Streetwork/Mobile Jugendarbeit Mitgliedsorganisationen des BfZ einzelne Fragen zum Zeugnisverweigerungsrecht gestellt, welche wir hier als Orientierungshilfe für die Wahlentscheidung veröffentlichen wollen.
Der Bundesverband der Berufsbetreuer*innen fragte: Teilen Sie unsere Auffassung, dass in der Betreuung eine Vertrauensbeziehung zu den Klient*innen unerlässlich ist? Werden Sie sich dafür einsetzen, dass auch für rechtliche Betreuungen ein Zeugnisverweigerungsrecht eingeführt wird? (Die Antworten auf alle gestellten Fragen des BdB finden sich hier)
CDU/CSU: Für die Einführung eines entsprechenden Zeugnisverweigerungsrechts wird gegenwärtig kein Anlass gesehen.
SPD: Klar ist, dass ein belastbares Vertrauensverhältnis zwischen Betroffenen und Betreuenden die Grundlage für eine sachgerechte Betreuung bildet. Das Herstellen eines Vertrauensverhältnisses ist schwierig, wenn Betroffene damit rechnen müssen, dass intimste Äußerungen und Gedanken vor Gericht landen könnten. Aber: jede Ausdehnung des strafprozessualen ZVR auf neue Personengruppen schränkt die Beweismöglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden ein und beeinträchtigt die Findung einer richtigen Entscheidung. Das BVerfG hat wiederholt das öffentliche Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafprozess hervorgehoben und die Aufklärung schwerer Straftaten als wesentlichen Auftrag eines rechtstaatlichen Gemeinwesens bezeichnet. Vor einer Entscheidung für oder gegen ein Zeugnisverweigerungsrecht ist daher eine sorgfältige Abwägung erforderlich, um den Erfordernissen des BVerfG gerecht zu werden.
BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ja. Um Selbstbestimmung zu ermöglichen, müssen sich Betreuer*innen ein umfassendes Bild von der Lage und den Wünschen des Betroffenen machen. Diese anspruchsvolle Unterstützung und Assistenz kann nicht ohne eine Vertrauensbeziehung übernommen werden. Wir GRÜNE werden deshalb die Strafprozessordnung um ein Zeugnisverweigerungsrecht u.a. für rechtliche Betreuer*innen ergänzen. Dazu sind wir bereits im Bundestag aktiv geworden, zuletzt mit einem – von der Regierungskoalition abgelehnten – parlamentarischen Antrag.
FDP: Zwischen dem Betreuer und der betreuten Person besteht definitiv eine besondere Verbindung, die oft mit Vertrauen und Wissen über höchstpersönliche Lebensbereiche einhergeht. Dem Betreuer kommt so oft eine elementare Stellung im Leben der betreuten Person zu. Es gilt daher fortlaufend zu überprüfen, ob diesem Umstand mit allen rechtlichen Regelungen hinreichend Rechnung getragen wird.
DIE LINKE: Ja. Für DIE LINKE ist Berufsbetreuung eine Vertrauensarbeit die wertschätzend und entsprechend vergütet erfolgen muss.
Die BAG Streetwork/Mobile Jugendarbeit fragte: Für Soziale Arbeit ist eine Vertrauensbeziehung zu Adressat*innen unerlässlich. Wie bewerten Sie das fehlende Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeiter*innen? Wie werden Sie sich dafür einsetzen, dass in der Sozialen Arbeit ein Zeugnisverweigerungsrecht gilt? (Die Antworten auf alle gestellten Fragen der BAG finden sich hier)
CDU/CSU: Wir sind der Auffassung, dass die Tätigkeit von Sozialarbeitern in den Arbeitsfeldern mobiler Jugendarbeit, Reintegration gewaltbereiter junger Menschen und bei der Beratung von Gewaltopfern ein besonderes Vertrauensverhältnis zum Klienten voraussetzt. Im Sinne einer möglichst umfassenden Wahrheitsermittlung ist der Kreis der Zeugnisverweigerungsberechtigten in Strafprozessen jedoch auf das unbedingt erforderliche Maß zu begrenzen. Eine Einschränkung der möglichst umfassenden Wahrheitsermittlung kommt daher nur bei Vorliegen ganz besonders wichtiger Interessen in Betracht. Diese sind bei der Tätigkeit der Beratungsstellen nach Paragraf 53 Absatz 1 Nr. 3b Strafprozessordnung gegeben.
SPD: Sozialarbeiter*innen leisten einen wichtigen Beitrag bei der Beratung und Betreuung von Menschen in schwierigen Lebenslagen. Ein belastbares Vertrauensverhältnis ist dabei die Grundlage für eine sachgerechte Beratung. Das Herstellen eines Vertrauensverhältnisses ist schwierig, wenn Betroffene damit rechnen müssen, dass intimste Äußerungen und Gedanken vor Gericht landen könnten. Aber: Jede Ausdehnung des strafprozessualen ZVR auf neue Personengruppen schränkt die Beweismöglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden ein. Das BVerfG hat wiederholt das öffentliche Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafprozess hervorgehoben und die Aufklärung schwerer Straftaten als wesentlichen Auftrag des Rechtsstaats bezeichnet. Vor einer Entscheidung für oder gegen ein Zeugnisverweigerungsrecht ist daher eine sorgfältige Abwägung erforderlich, um den Erfordernissen des BVerfG gerecht zu werden. Die zuständigen Arbeitsgruppen stehen der Prüfung grundsätzlich wohlwollend gegenüber.
DIE LINKE: Sozialarbeiter*innen sind – ebenso wie die psychologischen Psychotherapeuten – in die zeugnisverweigerungsberechtigten Berufsgeheimnisträger*innen in §53 StPO aufzunehmen. Die im Bundesdatenschutzgesetz aufgenommene Regelung, dass Mitarbeiter von Projekten in zivilgesellschaftlicher Trägerschaft personenbezogene Informationen an Sicherheitsbehörden weitergeben dürfen, wollen wir wieder streichen. Das Vertrauensverhältnis zwischen Sozialarbeiter*innen und ihrer Klientel muss umfassend geschützt werden.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir GRÜNE sehen ebenfalls eine Vertrauensbeziehung zu Adressat*innen als unerlässlich für Soziale Arbeit. Wir wollen deshalb die Ergänzung der Strafprozessordnung um ein Zeugnisverweigerungsrecht für Mitarbeitende in Fachberatungsstellen. Dazu sind wir auch im Bundestag aktiv geworden, zuletzt in unserem – von der Regierungskoalition abgelehnten – Änderungsantrag zum Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder.
FDP: Wir Freie Demokraten wollen, dass Menschen, die sich in einer schwierigen Situation oder in einer Notlage befinden, ein flächendeckendes und objektives Beratungsnetzwerk zur Verfügung steht. Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter leisten hierbei eine herausragende Arbeit für die Gesellschaft. Für die effektive Arbeit von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern ist es unerlässlich, dass die Adressaten darauf vertrauen können, dass ihre Angaben auch mit der nötigen Sorgfalt und Vertraulichkeit behandelt werden. Hinsichtlich der Aufnahme der Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in den Anwendungsbereich des § 53 StPO ist zunächst festzustellen, dass es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem Gesetzgeber nicht freigestellt ist, den Kreis der aus Berufsgründen zeugnisverweigerungsberechtigten Personen nach Belieben zu erweitern. Zwar steht ihm ein gewisser Handlungsspielraum zu. Dieser ist jedoch auf das unbedingt erforderliche Maß zu begrenzen, um eine möglichst uneingeschränkte Wahrheitsermittlung im Strafprozess nicht zu gefährden. Wir Freie Demokraten halten es für sinnvoll zu prüfen, ob die Vertraulichkeitsbeziehungen von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter zu ihren Adressaten durch § 203 Abs. 1 Nr. 6 StPO (bzw. durch die punktuelle Berücksichtigung von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern in § 53 Abs. 1 Nr. 3a und 3b StPO) sowie verfassungsunmittelbare Zeugnisverweigerungsrechte im konkreten Einzelfall hinreichend geschützt sind und, falls nein, inwiefern ein pauschales oder auf bestimmte Tätigkeitsbereiche begrenztes Zeugnisverweigerungsrecht eine sinnvolle Ergänzung des § 53 StPO darstellen könnte.
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